Charlie Munger über Gelassenheit, weitere Grundlagen erfolgreicher Investments und die Wall-Street-Kultur

Ende Oktober 2009 hat Charlie Munger der BBC ein denkwürdiges Interview gegeben. Dabei hat der Vice Chairman der Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway in gut zehn Minuten einmal mehr unter Beweis gestellt, dass er vermeintlich komplizierte Sachverhalte schnörkellos, klar und verständlich auf den Punkt bringen kann. Auf die angesichts der noch jungen Finanzkrise nahe liegende Eingangsfrage des Reporters, wie besorgt er über die Kursverluste der Berkshire-Aktien sei, antwortete er schlicht: „Zero“.

Es sei bereits das dritte Mal, dass Warren Buffett und er den Aktienkurs des von ihnen geleiteten Unternehmens um etwa 50 Prozent fallen sehen. Solche temporären Kursverluste lägen „in der Natur langfristiger Aktienanlagen“. Seine Konsequenz: „Wer nicht fähig ist, mit Gelassenheit auf einen Kursrückgang um 50 Prozent zu reagieren, wie er zwei- oder dreimal in einem Jahrhundert vorkommt, ist nicht dazu geeignet, Aktionär zu sein, und verdient die mittelmäßigen Ergebnisse, die er erwirtschaften wird – verglichen mit Leuten, die das entsprechende Naturell haben und diese Marktfluktuationen philosophischer betrachten können.“

Über die Strategie, mit der Buffett und Munger ihre außerordentlichen Anlageerfolge erzielt haben, sind mittlerweile zahlreiche Bücher und auch wissenschaftliche Aufsätze geschrieben worden. Munger fasste die wichtigsten Prinzipien innerhalb von 40 Sekunden in vier Punkten zusammen:
1. Die beiden investieren nur in Dinge, die sie verstehen können.
2. Sie suchen nach Unternehmen mit besonderen Eigenschaften, die einen langfristigen Wettbewerbsvorteil erwarten lassen.
3. Sie legen Wert auf ein integeres und talentiertes Management.
4. Sie wollen solche Unternehmen zu einem Preis erwerben, der eine gewisse Sicherheitsmarge gegen „die natürlichen Wechselfälle des Lebens“ bietet.
Das seien sehr einfache Prinzipien, betonte Munger. „Und der Grund dafür, dass sich unsere Ideen nicht schneller verbreitet haben liegt darin, dass sie zu einfach sind. Akademiker und andere Fachleute können ihr Dasein nicht rechtfertigen, wenn das alles ist, was sie zu sagen haben.“ Dabei sei es tatsächlich so offensichtlich und einfach.

Auch Wall Street und die von ihr geprägte Kultur der Finanzwirtschaft haben Munger zufolge dazu beigetragen, dass solch einfache Prinzipien nicht populär seien. Wall Street fördere und belohne eine „Umkleidekabinen-Kultur“ (locker room culture), in der man unbedingt gewinnen müsse und die ihn an American Football oder Fußball erinnere. Das sei so wettbewerbsintensiv, dass „was immer A auch unternimmt, B besser sein muss als A“. Diese „verdammte“ Kultur habe enormen Schaden angerichtet. „Selbstverständlich sind Warren und ich nicht diesem Zwang verfallen“, betonte Munger. “Ich lebe lieber mein Leben als ihres.”

Und das zeigt sich auch bei Investitionen: „Wir agieren mit der Denkweise einer Person, die das gesamte Unternehmen kaufen möchte“, erläuterte er. Dabei müsse der Preis für das gesamte Unternehmen attraktiv erscheinen. Der Kauf bestimmter Aktien werde interessant, wenn der aus dem Aktienkurs berechnete Preis für die Aktiengesellschaft niedriger sei als der Preis, den ein rational handelnder Investor für das gesamte Unternehmen zu zahlen bereit wäre.

Diese Strategie hat sich auch in den vergangenen acht Jahren ausgezahlt: Seit dem Interview hat der Kurs der Berkshire-Aktien um fast 170 Prozent hinzugewonnen. Ob das besser oder schlechter ist als die Performance irgendwelcher Vergleichsindizes, wird Munger und Buffett völlig egal sein. Auch in erfolgreichen Zeiten besteht für sie kein Anlass, die ihrem Naturell entsprechende Gelassenheit abzulegen. Und schon jetzt dürfte feststehen, dass der nächste größere Kurseinbruch an den Aktienbörsen die beiden Altmeister wertorientierter Anlagestrategien nicht aus ihrem Konzept bringen wird.


Ergänzender Artikel:
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