Ist Warren Buffett out?

„Als Idee ist Warren Buffett tot“, betitelte Walter Naggl Anfang Juli 2016 einen Kommentar zur Entwicklung der Aktienmärkte. Naggl ist Chefvolkswirt des unabhängigen Vermögensverwalters PT Asset Management und sieht offenbar Anzeichen dafür, „dass die Grundsätze des wertorientierten Investierens an der Börse zunehmend zurückgedrängt werden“. Als Beleg führt er unter anderem an, dass die Kurse vieler Aktien sich „geradezu konträr zu den Kennzahlen entwickeln, die ein Value-Investor beachten würde“. Die Gewinnentwicklung als maßgebliche Bestimmungsgröße des Value-Investmentstils finde offenbar kaum Beachtung. Zwar könne man „über lange Zeiträume von fünf Jahren und mehr“ den Zusammenhang zwischen Gewinnen und Kursverlauf wieder nachweisen, ein Erfolgsrezept im Sinne von Buffett werde daraus aber nicht unbedingt, weil niemand die Entwicklung eines Unternehmens über so lange Zeiträume vorhersehen könne. „Die Amerikaner vergöttern Warren Buffett, handeln aber ganz anders“, betonte Naggl.

Na und? Was haben denn die derzeitigen Handelsaktivitäten und kurzfristigen Kursbewegungen an den Börsen mit Warren Buffetts Anlagestrategie zu tun? Und welchen Anlagehorizont muss man haben, um eine Idee für tot zu erklären, nur weil sie vielleicht zwei, drei Jahre keine Outperformance liefert? Ein Aktienmarkt kann nur dann funktionieren, wenn verschiedene Marktteilnehmer unterschiedlich agieren. Solange es nur Kauf- oder nur Verkaufsinteressenten gibt, kommt kein Handel zustande. Ganz analog kann eine aktive Anlagestrategie nur dann ein positives oder negatives Alpha hervorbringen, wenn es Marktakteure gibt, die andere Strategien verfolgen. Es ist daher ganz normal, dass „die Grundsätze des wertorientierten Handelns“ in manchen Marktphasen bei der Kursfindung an den Aktienmärkten eine untergeordnete Rolle spielen. Aus Perspektive von Value-Investoren ist das viel eher eine Chance als ein Problem, weil es ihnen die Möglichkeit bietet, zu günstigen Kursen in Aktien von Unternehmen zu investieren, die sie für aussichtsreich halten.

Warren Buffett hat mit Berkshire Hathaway von 1976 bis 2011 ein signifikantes Alpha gegenüber klassischen Risikofaktoren erzielt. Seine anhand der Sharpe Ratio gemessene risikoadjustierte Rendite war dabei mit annualisierten 0,76 fast doppelt so hoch wie die des gesamten US-Aktienmarktes. Kein einziger US-Publikumsfonds, der mindestens 30 Jahre auf dem Markt ist, hat eine bessere Sharpe Ratio erwirtschaftet. Dies steht in der Studie „Buffet´s Alpha“, in der Andrea Frazzini, David Kabiller und Lasse Pedersen 2012 die Grundlagen für Buffetts Anlageerfolge analysiert haben. Ihr Ergebnis: Das „Orakel von Omaha“ verdankt seine Erfolge der Auswahl günstig bewerteter, relativ schwankungsarmer Aktien qualitativ hochwertiger Unternehmen in Kombination mit einem konstanten Kredithebel von etwa 1,6. „Unsere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Buffetts Erfolge weder Glück noch Zufall sind, sondern der Lohn für eine erfolgreiche Fokussierung auf Faktoren, die in der Vergangenheit hohe Renditen hervorgebracht haben“, heißt es in der Studie.

Und ein weiterer Faktor spielt eine wesentliche Rolle: Buffett und sein Partner Charles Munger haben selbst in Marktphasen unbeirrt an ihrer Strategie festgehalten, in denen andere Manager zu Notverkäufen gezwungen worden wären oder ihren Job verloren hätten. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sie diesmal anders verfahren werden. Derzeit spricht vieles dafür, dass ihre Anlagestrategien und -ideen sie sogar überleben werden – ganz einfach, weil sie geduldigen Investoren weit bessere Erträge eingebracht haben als alle noch so modischen Ideen und Strategien ihrer vermeintlichen Totengräber.


Erstmals erschienen in pvm21 (August/September 2016)

Ergänzender Artikel:
Charlie Munger über Gelassenheit, weitere Grundlagen erfolgreicher Investments und die Wall-Street-Kultur

Externe Links:
Frazzini, Kabiller, Pedersen: Buffet´s Alpha

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