Ende Januar 2013 während eines Pressegesprächs in Frankfurt. Der Vertreter einer Vermögensverwaltungsgesellschaft betont die Bedeutung der Asset Allocation: „Brinson, Hood und Beebower haben 1986 in einer Studie nachgewiesen, dass die Asset Allocation für mehr als 90 Prozent der Performance eines Anlageportfolios verantwortlich ist.“ Das kommt Ihnen bekannt vor? Sie haben es auch schon oft gehört und gelesen? Und plausibel klingt es ebenfalls? Mag sein, aber es ist dennoch falsch! Was das in der Szene auch unter „BHB“ firmierende Trio tatsächlich herausgefunden hat, klingt auf den ersten Blick recht ähnlich: Mittels einer Analyse der vierteljährlichen Performance-Daten 91 großer US-Pensionsfonds haben die drei festgestellt, dass sich im Durchschnitt 93,6 Prozent der Schwankungsbreite oder Streuung der Performance dieser Fonds mit Hilfe ihrer Asset Allocation erklären lassen. Wie stark die Performance eines Fonds schwankt, hängt also wesentlich von der Mischung seiner Anlageklassen ab.
Dass die Schwankungsbreite der Performance etwas anderes ist als die Performance selbst, ist offensichtlich und wohl auch jedem Praktiker bekannt. Umso erstaunlicher ist es, dass die BHB-Studie nicht nur eine bis heute andauernde wissenschaftliche Diskussion über die Bedeutung der Asset Allocation ausgelöst hat, sondern sich die eingangs zitierte falsche Aussage unter Praktikern auch als eine Art allgemein anerkannte Folklore etabliert hat, die heute offenbar noch populärer ist als vor zehn oder 15 Jahren. Doch warum werden BHB so oft und so dauerhaft falsch verstanden?
Ein Grund für die weit verbreiteten Missverständnisse liegt sicherlich in der mitunter schwierigen Kommunikation zwischen Wissenschaftlern und Praktikern. Mit der Frage nach der Bedeutung der Asset Allocation für den Anlageerfolg haben BHB ein Thema aufgegriffen, das Wissenschaftler interessiert und Praktiker betrifft, also für beide Gruppen wichtig und spannend ist. Während Wissenschaftler aber dazu neigen, „Anlageerfolg“ zumindest tendenziell als eine beliebige Folge oder Konsequenz bestimmter Anlageentscheidungen zu interpretieren, denken die meisten Praktiker bei diesem Begriff in erster Linie an die Performance. Die wissenschaftliche Fachsprache ist nicht jedem Praktiker zugänglich, und Wissenschaftler nehmen häufig keine Rücksicht auf den umgangssprachlichen und alltäglichen Gebrauch der Begriffe, die sie verwenden. Missverständnisse sind daher vorprogrammiert.
Warum hat sich aber trotz zahlreicher Versuche zur Richtigstellung unter Praktikern eine falsche Aussage als populäres „Allgemeinwissen“ durchgesetzt? Psychologen wie der Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman würden hier vermutlich eine kognitive Verzerrung diagnostizieren. Es könnte auf einen Fall der selektiven Wahrnehmung oder einen Bestätigungsfehler, neuhochdeutsch „Confirmation Bias“, hinauslaufen. Hiermit bezeichnen Kognitionswissenschaftler die Neigung, Informationen unbewusst so auszuwählen und zu interpretieren, dass sie die jeweils eigenen Anschauungen und Hypothesen bestätigen. Wer Asset Allocation für besonders wichtig hält, ist damit quasi anfällig für die populäre Fehlinterpretation. Der eingangs erwähnte Vermögensverwalter ist übrigens für die Selektion börsengehandelter Indexfonds zuständig.
Erstmals erschienen in pvm1 (März 2013)
Ergänzender Artikel (pdf):
„Richtige Antworten falsch verstanden“ aus portfolio international (Mai 2009)
Externe Links:
Brinson, Hood, Beebower: Determinants of Portfolio Performance
Brinson, Singer, Beebower: Determinants of Portfolio Performance II: An Update
Hood: Determinants of Portfolio Performance – 20 Years Later