Der Impact-Netzwerker

Wer sich dem Impact Investing verschrieben hat, denkt über finanzielle Renditen hinaus. Karl „Charly“ Kleissner, einer der Pioniere der Szene, sprach mit Ralf Kolbe über seine Motive, Erfahrungen und Ziele.

Für die meisten Menschen, die den in Österreich geborenen Softwareentwickler, Multimillionär, Investor, Stifter und Netzwerker Karl Kleissner kennen, ist er einfach „der Charly“. Das liegt nicht nur daran, dass er seinen Lebensmittelpunkt 1986 ins sonnige Kalifornien verlegt hat, es liegt auch an seiner Persönlichkeit: Kleissner wirkt auf Anhieb authentisch, ehrlich und sympathisch unprätentiös. Er doziert nicht, redet offen, hört auch zu, greift kritische Gedanken und Anregungen mit Interesse und Neugierde auf. Und er ist ein vielseitig interessierter Mensch: Man kann mit ihm über Informationstechnologie, Managementstrategien, Investments und Wirkungsmessung ebenso tiefgründig und ernst diskutieren wie über Naturschutz, Ökologie oder Yoga.

Charly Kleissner
Charly Kleissner

Wir treffen uns in den Räumen des auf Sozialunternehmen spezialisierten Wagniskapitalinvestors Ananda Ventures im Isarwinkel in München. Kleissner ist aus Innsbruck gekommen und hatte am Vortag bereits andere Termine in der Stadt. Als er zu Beginn unseres Gesprächs sein Notebook auf dem Tisch platziert, zeigt er lächelnd auf einen Aufkleber, der dessen Gehäuse-Deckel ziert: „Tirol“ steht dort in dicken Lettern und erinnert daran, dass bei seinen Besuchen in Europa und vor allem in Innsbruck immer auch der Charakter eines Heimaturlaubs mitschwingt. Aber Kleissner ist nicht im Urlaub, er spricht vielmehr scherzhaft von seiner „Impact-Tournee durch Europa“. Tatsächlich ist er ein gefragter Experte und Redner: Beispielsweise hat er im Vorfeld der „Second Vatican Conference on Impact Investing“ in Rom gemeinsam mit einigen anderen Experten mit einer Gruppe von Geistlichen aus Schwellenländern diskutiert, die mehr über Impact Investing erfahren wollten. „Die Impulse, die vom derzeitigen Papst ausgehen, sind deutlich zu spüren und haben mich inspiriert“, erinnert er sich. Das gehe sehr tief und sei nicht dogmatisch. Im Mittelpunkt stünden soziale Fragen und Gerechtigkeit, ohne dass Unternehmer und Unternehmen als schlecht oder böse dargestellt würden. Die Geistlichen hätten Impact-Investoren dazu aufgefordert, die Gemeinden vor Ort in ihre Aktivitäten einzubinden und auch an möglichen Gewinnen zu beteiligen. „Das verstehen sie besser als viele Impact-Investoren, von denen derzeit nur zehn bis 20 Prozent versuchen, die Ärmsten der Armen tatsächlich in ihre Prozesse einzubinden.“

In Deutschland sieht Kleissner einige Stiftungen und Family Offices in einer Vorreiterrolle in Sachen wirkungsorientierter Investments. Allerdings seien die entsprechenden Aktivitäten insgesamt noch überschaubar. Auch im Hinblick auf den Klimaschutz erscheinen ihm hiesige Investoren weniger aktiv als in den USA. „In Deutschland gibt es grüne Stiftungen, die sich nicht der Divest-Invest-Bewegung anschließen möchten“, stellt er fest. „Das kann ich mir bisher nicht wirklich erklären.“ Die Divest-Invest-Bewegung ist ursprünglich an US-Universitäten entstanden und versucht mittlerweile weltweit, Investoren zum Ausstieg aus Anlagen in fossilen Brennstoffen und zu Investitionen in erneuerbare Energien zu bewegen.

Impact Investing als Teil einer Lebensaufgabe

Wer Kleissner nicht kennt, merkt spätestens anhand solcher Schilderungen, dass er es nicht mit einem gewöhnlichen Privatinvestor zu tun hat, sondern mit einem Pionier und agilen Botschafter wirkungsorientierten Investierens. Für ihn ist Impact Investing nicht bloß eine Anlagephilosophie oder -strategie, sondern Teil einer Lebensaufgabe. Und er hat eine Mission: Kleissner möchte der Welt beweisen, dass finanzielle Renditen und positive gesellschaftliche und ökologische Wirkungen auch bei Investitionen großer Vermögen keine Gegensätze darstellen, sondern ein harmonisches Ganzes bilden können.

Eine Grundlage für dieses Engagement ist der Reichtum, den er während seiner Karriere als Softwareingenieur erworben hat. Nach Abschluss seines Informatikstudiums wanderten er und seine Frau Lisa, die er während eines Studienaufenthalts auf Hawaii kennengelernt hatte, nach Kalifornien ins Silicon Valley aus. Lisa etablierte sich dort erfolgreich als selbstständige Architektin, er wurde zu einem der wichtigsten Softwareentwickler des Valleys. Ende der 1990er Jahre war er Chief Technical Officer des Softwareunternehmens Ariba, an dem er eine Beteiligung hielt. Mit Investmentthemen beschäftigte er sich damals nur am Rande: „Wenn man mitten im Beruf steht, hat man andere Dinge zu tun.“ In seinem Fall bedeutete dies: ein anspruchs- und verantwortungsvoller, fordernder Job im IT-Management, ein Wochenende im Monat frei und maximal eine Woche Urlaub pro Quartal. Mitte der 90er Jahre habe er einige Erfahrungen als Kleinanleger gesammelt und sich mit Blick auf seine Altersvorsorge mit traditionellen Anlagestrategien auseinandergesetzt. „Mit Impact Investing hatte das nichts zu tun. Die Frage nach dem Sinn von Vermögen und Kapital hat mich damals noch nicht beschäftigt.“

Das änderte sich schlagartig, als Ariba 1999 an die Börse ging und seine Aktien liquide handelbar wurden. Kleissner war plötzlich Multimillionär. „Theoretisch kann man viel darüber nachdenken, was man machen würde, wenn man 100 Millionen Dollar hätte. Aber wenn man sie wirklich hat, ist das ein Unterschied“, erinnert er sich. Für Lisa und ihn sei das ein „nichtlinearer Schritt“ gewesen. „Wir haben uns überlegen müssen, was das für uns heißt.“

Investitionen als Ausdruck der Persönlichkeit

Ein entscheidender Aspekt bei diesen Überlegungen war die Verantwortung, die Reichtum für seine Besitzer mit sich bringt: „Wir können uns nicht vorstellen, unsere Werte von unserem Vermögen zu entkoppeln. Wir wollen im Einklang mit unseren Werten leben“, betont Kleissner. Bei institutionellen Investoren sei die Verbindung zwischen der Kontrolle über das Vermögen und der Verantwortung für die gesellschaftlichen und ökologischen Folgen der Investments gebrochen. In diesem Bereich dominierten Manager, welche die Vermögensverwaltung als Job betrachten und nicht als Lebensaufgabe. Lisa und Charly Kleissner wollten sich ihrer Verantwortung dagegen ganz bewusst stellen: „Für uns ist die Investition unseres Vermögens keine intellektuelle Übung, sondern ein Ausdruck unserer je eigenen Persönlichkeit“, erläutert er. „Wir können nicht nachvollziehen, wie man zwischen Vermögensverwaltung und deren Wirkung eine Wand aufbauen kann. Das ist ein Auslaufmodell.“ Daher hätten Lisa und er sich entschlossen, ihrem Reichtum Sinn und Bedeutung zu verleihen, indem sie ihr Geld in Projekte und Unternehmen investieren, die der Menschheit und der Natur nützen sollen. So seien sie beim Impact Investing gelandet. Ein erster, nach außen sichtbarer Schritt in diese Richtung war die Gründung der KL Felicitas Foundation im Jahr 2000. Diese Stiftung unterstützt weltweit Sozialunternehmer und Sozialunternehmen und fördert dabei zugleich die Verbreitung der auch von ihr praktizierten Strategie des Impact Investings.

Unter Impact Investing versteht Kleissner Anlagestrategien, die nicht nur finanzielle Renditen anstreben, sondern zugleich auch positive gesellschaftliche oder ökologische Wirkungen. Impact Investoren haben also nicht nur Ziele für Rendite und Risiko ihrer Anlagen, sondern ebenso klare Vorstellungen davon, welche konkreten positiven Wirkungen sie mit ihren Investitionen erreichen möchten. Wie Rendite und Risiko werden die gesellschaftliche und ökologische Wirkung damit zu wesentlichen Steuerungsgrößen der Anlagepolitik, die über deren Erfolg oder Misserfolg mitentscheiden. Sie gehen damit einen Schritt weiter als Nachhaltigkeits- und ESG-Strategien, die in erster Linie versuchen, negative Aus- und Nebenwirkungen von Investitionen zu reduzieren oder zu vermeiden. Um Wirkungen von Investitionen gezielt steuern zu können, muss man diese ebenso wie die finanziellen Renditen messen. Eine sinnvolle und transparente Wirkungsmessung gehört deshalb zu den Herausforderungen für jeden Impact Investor.

Doch in der Finanzbranche gibt es bisher bestenfalls rudimentäre Ansätze einer Infrastruktur für Wirkungsmessung und wirkungsorientierte Investitionen, und bis heute dürfte es weltweit nur wenige Vermögensverwalter geben, welche die Bereitschaft und die Kenntnisse mitbringen, die für aussagekräftige Wirkungsanalysen und -berichte notwendig sind. Die Kleissners haben sich seit der Gründung ihrer Stiftung auf verschiedenen Ebenen darum bemüht, diese Infrastruktur zu fördern und mitzugestalten. Dass sie hierbei beachtliche Erfolge erzielt haben, führen sie nicht zuletzt auf die Naivität zurück, mit der sie dieses Projekt begonnen haben. Sie hätten gelernt, dass man als Vermögensinhaber auch Druck auf seine Vermögensverwalter und Berater ausüben muss und keine Ausflüchte und Entschuldigungen gelten lassen darf, schreibt Lisa Kleissner auf der Website des von ihr und ihrem Mann mit gegründeten Investorennetzwerks Toniic. „Sie als Vermögensinhaber stehen vor der Herausforderung, den Status quo zu hinterfragen und die Führungsrolle zu übernehmen, die nötig ist, um die Welt nach den eigenen Vorstellungen mitzugestalten.“

Die Kleissners setzen zu 100 Prozent auf Impact

Wie schwierig das konkret ist, erfuhren die Kleissners bei ihren Bemühungen, das eigene Anlagevermögen und das Vermögen der KL Felicitas Foundation vollständig in wirkungsorientierte Anlageinstrumente zu investieren. Das Portfolio der Stiftung bestand zu deren Gründung vollständig aus Ariba-Aktien im Wert von zehn Millionen US-Dollar und ist seitdem kontinuierlich zu einer breit diversifizierten Mischung aus mittlerweile fast 100 Prozent wirkungsorientierten Investments umgestaltet worden. Das Stiftungsportfolio enthält fast alle Anlageklassen von speziellen Aktien- und Rentenfonds über Private-Equity-Fonds bis hin zu direkten Beteiligungen an wirkungsorientierten Unternehmen. Es ist völlig transparent und soll anderen Impact-Investoren als Beispiel dafür dienen, wie ein breit diversifiziertes Impact-Portfolio aufgebaut werden kann. Dabei sieht man dem Portfolio nicht an, wie viel Engagement und Überzeugungsarbeit es die Kleissners gekostet hat, Vermögensverwalter wie den in San Francisco ansässigen Fondsmanager Sonen Capital dazu zu bewegen, ihre speziellen Anforderungen in die Praxis umzusetzen. Heute verwaltet Sonen einen großen Teil des Wertpapiervermögens der Stiftung in einigen speziellen Aktien- und Rentenfonds und erstellt für diese aussagekräftige Wirkungsberichte.

Doch mit der mittlerweile weitgehend abgeschlossenen wirkungsorientierten Anlage des eigenen Vermögens sehen sich die Kleissners längst nicht am Ziel. „Als System-Denker und Ingenieur bin ich immer sehr stark an Hebelwirkungen interessiert“, erläutert Charly Kleissner. Mit dem eigenen Ansatz ließen sich nachweislich Vermögen zwischen fünf und 500 Millionen US-Dollar verwalten. „Wer Milliardenbeträge investieren muss, bewegt sich in anderen Dimensionen.“ Um zu zeigen, dass wirkungsorientierte Strategien auch in diesen Dimensionen funktionieren können, setzt er auf Netzwerke Gleichgesinnter. Besonders am Herzen liegt ihm das Anfang 2014 gegründete „100-Prozent-Impact“-Netzwerk. Mitglieder sind wohlhabende Privatinvestoren, Family Offices, Stiftungen und entsprechend spezialisierte Vermögensverwalter, die allesamt vollständig auf wirkungsorientierte Anlagestrategien setzen. Das ursprünglich eigenständige Netzwerk ist inzwischen ein Teil des bereits 2010 gegründeten Investorennetzwerks Toniic und hatte Ende 2016 bereits 85 Mitglieder, die 130 Investoren mit einem Gesamtvermögen von etwa vier Milliarden US-Dollar repräsentieren. Von diesem Vermögen sind bereits mehr als zwei Milliarden US-Dollar wirkungsorientiert investiert.

„Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, wie man Netzwerke aufbauen kann, die tiefer gehen als die typischen sozialen Netzwerke, in denen man sich vielleicht gut unterhalten kann, die aber nicht wirklich dazu geeignet sind, Wirkungen zu erzielen“, erläutert Kleissner. Hierzu sei vor allem gegenseitiges Vertrauen nötig, das es ermögliche, individuelles Wissen und eigene Erfahrungen mit allen Mitgliedern des Netzwerks zu teilen. Deshalb habe er ein Netzwerk schaffen wollen, in dem Vertrauen „in die DNA eingebaut“ ist. „Vertrauen bildet man nur, wenn man sich die Zeit nimmt, einander zu verstehen, und auch die eigenen Daten offenlegt“ betont er. Wer in das 100-Prozent-Impact-Netzwerk eintreten möchte, muss seine Anlagestrategie daher allen anderen Mitgliedern transparent machen. Hierdurch entsteht ein Informations- und Datenpool, der Erkenntnisse über die grundlegenden Möglichkeiten des Impact Investings liefern kann.

Netzwerk privater Investoren fördert Impact-Investing

Anfang Dezember 2016 hat Toniic einen ersten Bericht veröffentlicht, der über die persönlichen Motive verschiedener Investoren informiert, ihr gesamtes Anlagevermögen wirkungsorientiert investieren zu wollen. Darüber hinaus wurden mehr als 50 Portfolios von „100-Prozentern“ mit einem Gesamtvermögen von rund 1,65 Milliarden US-Dollar analysiert. Von diesem Vermögen waren zum Zeitpunkt der Analyse bereits 1,14 Milliarden US-Dollar wirkungsorientiert angelegt. Dabei hat sich gezeigt, dass Investoren heute bereits in allen relevanten Anlageklassen Strategien und Anlageobjekte finden können, die es ihnen erlauben, ihre Kapitalanlage mit ihren persönlichen Werten in Einklang zu bringen. Dabei haben sie laut der Studie nicht nur positive gesellschaftliche oder ökologische Wirkungen erzielt, sondern in den meisten Fällen auch finanzielle Renditen, die in etwa den Marktrenditen der jeweiligen Anlageklassen entsprechen. Diese Ergebnisse seien ein Beleg dafür, dass die finanziellen Ziele wirkungsorientierter Investoren denen traditioneller Investoren ähneln: Es gehe auch hier um Kapitalerhalt und eine angemessene Rendite für die Anleger.

Aber es geht um mehr: In ihrer Danksagung bezeichnen die Studienautoren den Umfang und die Tiefe der Unterstützung der teilnehmenden Toniic-Mitglieder als „klaren Beleg“ für deren Wunsch, das globale Finanzsystem in ein besseres zu transformieren – und zwar nicht nur mit Hilfe des persönlichen Anlagevermögens und im jeweils eigenen Interesse, sondern auch, um noch zögernden Investoren positive Handlungsbeispiele zu liefern. Das 100-Prozent-Impact-Netzwerk bildet in Kleissners Augen eine Art Keim für einen Transformationsprozess, der zu einem Finanzsystem beitragen soll, das nachhaltig ausgerichtet ist und mit einer ganzheitlichen Perspektive wirkt. Es gehe dabei nicht um Rendite oder positive soziale und ökologische Wirkungen, sondern um die Vereinbarkeit beider Aspekte. Kleissner formuliert das bisweilen so: „Die Magie des „und“ muss die Tyrannei des „oder“ ersetzen!“

Er ist sich darüber im Klaren, dass das im Netzwerk gebündelte Vermögen allein nicht ausreichen wird, um die gewünschte Transformation anzustoßen: „Unser adressierbarer Markt, also Stiftungen und vermögende Privatpersonen, verfügt weltweit über ein Anlagevermögen von etwa vier Billionen US-Dollar.“ Das 100-Prozent-Impact-Netzwerk repräsentiere bisher lediglich rund 0,1 Prozent dieses Marktes. Selbst wenn dieser Anteil in den kommenden Jahren auf ein oder gar fünf Prozent wachsen würde, wäre man immer noch eine recht kleine Nische. Aber diese Nische kann und soll Inspiration für institutionelle Großinvestoren, Politiker und Regulatoren liefern, die beispielsweise in unterschiedlichen Altersvorsorgesystemen viel größere Summen verwalten.

„Es gibt bisher im institutionellen Bereich wenige Beispiele dafür, wie man so etwas umsetzen kann. Und genau an diesem Punkt arbeiten wir“, erläutert Kleissner. In den USA gebe es mittlerweile einige Stiftungen, wie die MacArthur und die Ford Foundation, die 100 bis 150 Millionen US-Dollar in Impact investieren wollen. Diese Stiftungen hätten vor zwei, drei Jahren mit zehn oder 15 Millionen US-Dollar angefangen, in diesem Bereich erste Erfahrungen zu sammeln. Sobald es einige Impact-Portfolios mit Vermögen über 500 Millionen US-Dollar geben wird, werde man nachweisen, dass dies auch mit kleineren Milliardenvermögen möglich ist. „Dann haben wir die Größe kleinerer institutioneller Portfolios erreicht und werden versuchen, diese Entwicklung auch auf politischer Ebene voranzutreiben“, erklärt Kleissner. „Wir bereiten von unten her mit konkreten Beispielen die Argumente für die Machbarkeit vor.“

„Auch Impact-Investoren können keine endgültigen Lösungen für die Probleme dieser Welt anbieten“, betont er. Sie verfolgten allerdings einen Ansatz, der mehr Transparenz und Diskussionen einfordert und im Prinzip etwas Gutes bewirken will, statt Nebeneffekte einfach zu akzeptieren oder zu ignorieren. Dieser Wille und dieses Bewusstsein seien eine Voraussetzung für überzeugte Impact-Investoren. Tatsächlich klingt Kleissner teilweise geradezu enthusiastisch, wenn er von „den 100-Prozentern“ redet. Wer sein Vermögen zu 100 Prozent dem Impact Investing hingibt, hat offenbar einen anderen, einen speziellen Bewusstseinszustand erreicht und die traditionelle Investmentwelt womöglich für immer hinter sich gelassen. „Die 100-Prozenter sind ein spezieller Menschenschlag. Wir nehmen nicht jeden auf“, betont er. Innerhalb der 100-Prozenter herrsche ein anderer Umgang, ein ausgeprägtes Wir-Gefühl, eine spezielle Identität. Neben den gemeinsamen Zielen zeichne vor allem dieses spezielle Bewusstsein das Netzwerk aus. Insofern habe man auch kein Interesse, zweifelnde Investoren in den Club zu lotsen: Überzeugung ist Voraussetzung, und Überzeugung beruht zu einem großen Teil auf eigenen Erfahrungen.

Kleissners Tipps für interessierte Investoren

Wer Erfahrungen mit wirkungsorientierten Anlagen sammeln möchte, könne durchaus klein anfangen und die eine oder andere Idee testen. Oft sei es am einfachsten und am sinnvollsten, sich an entsprechende Netzwerke oder Inkubatoren zu wenden. „Man muss ein bisschen Zeit investieren, um mit den Leuten zu reden und zu verstehen, wie sie vorgehen“, sagt Kleissner. In Deutschland gebe es Unternehmen wie Fase (fa-se.de), Bon Venture (bonventure.de) oder Ananda (socialventurefund.com), die das Marktgeschehen im deutschsprachigen Raum sehr gut kennen und teilweise auch Fonds anbieten, über die man in diversifizierte Portfolios aus Sozialunternehmen investieren kann. In einigen größeren europäischen Städten, wie Berlin, München, Wien oder Zürich, gibt es Impact Hubs, die ein globales Netzwerk für wirkungsorientiertes und nachhaltiges Wirtschaften bilden.

Wer kleinere Summen anlegen möchte, ist nach Kleissners Auffassung mit Investitionen in professionell verwaltete Fonds meist besser bedient als mit direkten Engagements in einzelne Projekte. Über Crowdfunding-Plattformen seien solche Engagements heute zwar teilweise schon mit geringen Beträgen möglich, allerdings seien sie sehr riskant, weil viele dieser Projekte „den Bach runtergehen“. Wirkungsorientierte Anlagen sollten deshalb möglichst gut diversifiziert erfolgen. Außerdem komme es häufig vor, dass die geförderten Projekte mehr Geld benötigen als sie anfangs eingesammelt haben. „Wenn man keine Gelder nachschießen kann, sollte man nicht investieren“, warnt Kleissner. Bei Engagements in einzelne Projekte empfiehlt er als Daumenregel, die investierte Summe ein weiteres Mal für mögliche Nachschüsse bereitzuhalten.

Bei internationalen Investitionen bestehe ein erhebliches Risiko darin, dass man meist nicht vor Ort ist. „In Sri Lanka hatten wir sehr viel Zeit und Geld in ein Projekt investiert“, erzählt Kleissner. Schließlich habe sich der Unternehmer entschieden, etwas anderes zu machen. „Wäre ich dort gewesen, hätte ich die Situation vielleicht noch managen können, indem ich beispielsweise selber einen Nachfolger gesucht hätte. Wenn man nicht vor Ort ist, ist man den Unternehmern voll und ganz ausgeliefert.“ Solche Risiken könne man vermeiden, wenn man mit einem lokalen Partner zusammenarbeitet, dem man vertraut und der nahe am Geschehen sitzt, beispielsweise im Vorstand eines Unternehmens. Und Kleissner nennt einen zweiten Vorteil lokaler Partner: „Wenn man sich stark engagiert, besteht immer die Gefahr, dass man sich ein zu rosiges Bild malt.“ Man sehe nur den potenziellen Impact und übersehe dabei bisweilen, dass ein Geschäftsmodell einfach nicht funktioniert. Manche Investoren neigten in solchen Situationen dazu, philanthropisch zu werden und ihr Engagement nicht mehr als richtiges Investment zu betrachten. Dies sei „oft ein Selbstbetrug“, weil diese Unternehmen meist nicht erfolgreich fortbestehen können.

Impact Investing ist keine Philanthropie

Kleissner plädiert für eine klare Trennung zwischen Impact Investing und Philanthropie: „Philanthropen bezeichnen ihre Aktivitäten teilweise als Investments – also Investments, die garantiert keine finanziellen Erträge einbringen. Ich halte nichts davon, die Begriffe so zu dehnen.“ Das bedeutet keinesfalls, dass er Philanthropie ablehnt. Im Gegenteil, „Philanthropie wird immer einen Stellenwert haben“. Es gebe einfach Unternehmen und Projekte, die nie profitabel arbeiten könnten und daher auf Unterstützung angewiesen seien. „Wir haben beispielsweise in Indien Projekte gefördert, die Kinder von Prostituierten resozialisieren“, sagt er. Solche Aktivitäten könne man nicht profitabel gestalten, aber man könne sie sehr wohl aus einer unternehmerischen Perspektive analysieren – „und das machen wir“. Das gelte auch für viele kleinere Unternehmen, die dabei helfen, die Infrastruktur für Impact Investing weiterzuentwickeln, und dafür von der KL Felicitas Foundation Unterstützung erhalten.

Es gebe auch Beispiele für Investitionen, die sich finanziell nicht gelohnt haben, aber immer noch eine positive Wirkung entfalten. „Wir hatten beispielsweise in ein Klinikprojekt in Indien investiert, wo der erwartete finanzielle Ertrag mittlerweile abgeschrieben, der Impact aber immer noch vorhanden ist“, erläutert Kleissner. Man habe die Klinik an lokale Investoren abgegeben, die das Haus weitergeführt haben. In solchen Fällen komme es darauf an, wie man Erfolg definiert.

Für Kleissner bemisst sich der Erfolg seiner Investitionen dabei nicht in erster Linie an deren finanzieller Rendite: Er möchte den Beweis antreten, dass Impact Investing auch im größeren Stil möglich ist. Er will die Behauptung als Ausrede entlarven, dass Milliardenvermögen sich nicht wirkungsorientiert investieren lassen. Er möchte mit Gleichgesinnten das Finanzsystem und die Welt zum Positiven verändern. Dieser umfassende Ansatz verändert auch seine Vorstellungen von Erfolg: „Wenn unser Portfolio nach zehn Jahren keine positive finanzielle Rendite erzielt haben sollte, wir damit aber 100 andere Investoren inspiriert hätten, mit Impact Investing Erträge zu erwirtschaften, dann würde ich unser Portfolio nicht als gescheitert betrachten. Und wenn ich es trotz aller Bemühungen nicht geschafft haben sollte, die Welt zu verändern, wäre selbst das kein Scheitern, weil ich es mit ganzer Kraft versucht habe.“


Erstmals erschienen in pvm23 (Februar/März 2017)

Externe Links:
Toniic-Website
KL Felicitas Foundation

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