Man liest in letzter Zeit viel über ETF. Doch so manches, was über sie geschrieben und geäußert wird, stiftet eher Verwirrung, als dass es zur besseren Orientierung beiträgt. Ein Beispiel: „Aktiv gemangte ETF sind im Prinzip keine ETF, wie man sie sich klassischerweise vorstellt. Somit ist der Begriff ‚aktive ETF‘ meines Erachtens irreführend“, ließ sich Sasa Perovic Ende 2014 in einem Fachmagazin für Anlageberater und -vermittler zitieren. Perovic ist ein erfahrener Fondsanalyst, und wenn er etwas für irreführend hält, darf man getrost davon ausgehen, dass weniger sachkundige Zeitgenossen hierdurch noch stärker verwirrt werden. Eine Frage steht im Raum: Was ist eigentlich ein ETF?
„ETF“ ist zunächst einmal das Kürzel für „exchange-traded fund“, was – krude ins Deutsche übersetzt – schlicht „börsengehandelter Fonds“ bedeutet. Wer sich eng an diese Bedeutung hält und den Begriff daher einfach für Investmentfonds verwendet, die an der Börse gehandelt werden, wird Perovics Einwand nicht nachvollziehen können: Schließlich klassifiziert ETF in diesem Sinne die Fonds lediglich anhand ihres Vertriebswegs. Wird ein Fonds (ausschließlich) an der Börse gehandelt, wäre er ein ETF, wird er es nicht, wäre er eben keiner. So verstanden lässt der Begriff keinerlei Aussagen über die spezifische Strategie der jeweiligen Fonds zu, sagt also auch nicht, ob ein Fonds aktiv oder passiv verwaltet wird oder ob es sich um einen klassischen Indexfonds handelt.
Tatsächlich liegt die Ursache für die Verwirrung darin, was Perovic und andere Marktteilnehmer sich „klassischerweise“ unter einem ETF vorstellen. Diese Vorstellung ist davon geprägt, dass es sich in Deutschland eingebürgert hat, diesen Begriff als Synonym für Indexfonds zu nutzen. Hierfür gab es nachvollziehbare Gründe: So waren die ersten Fonds, die hierzulande mit dem Etikett ETF auf den Markt gebracht wurden, durchweg klassische Indexfonds; außerdem konnten deutsche Investoren Indexfonds praktisch nur über die Börse erwerben, weil sie über die etablierten, provisionsgetriebenen Vertriebswege nicht absetzbar waren. Wenn ein Anleger in Deutschland einen Indexfonds kaufen wollte, blieb ihm in der Regel nur der Weg über einen ETF.
Besonders sinnvoll war die Gleichsetzung von ETF und Indexfonds allerdings nie. So gibt es insbesondere in den USA schon seit über 40 Jahren große und bedeutende Indexfonds, die nicht über die Börsen vertrieben werden. Außerdem sind keinesfalls alle an Börsen gehandelten Fonds Indexfonds. Mittlerweile können Anleger beispielsweise an den Regionalbörsen in Hamburg und Stuttgart tausende Publikumsfonds handeln, von denen die Mehrheit diskretionäre Anlagestrategien verfolgt und auch nicht als ETF firmiert. Darüber hinaus bilden die meisten Fonds, die in jüngerer Vergangenheit mit einem ETF-Label neu auf den Markt gebracht wurden, längst keine klassischen Aktienindizes mehr nach, sondern eigens konstruierte Portfolios, die nach systematischen Regeln zusammengestellt und auch umgeschichtet werden. Angesichts der wachsenden Popularität, die ETF mittlerweile unter Investoren genießen, scheint sich aktuell sogar ein Trend zu entwickeln, diskretionäre und in diesem Sinne aktiv verwaltete Fonds mit ETF-Etikett zu emittieren.
Es gibt also durchaus Anlass, verwirrt zu sein, sofern man den Begriff ETF als Bezeichnung für Fonds mit einer speziellen Strategie verwendet. Da jedoch niemand hierzu gezwungen wird und eine solche Verwendung aus sachlicher Perspektive weder sinnvoll noch notwendig erscheint, ließe sich dieses Wirrwarr ganz einfach aus der Welt schaffen, indem man „ETF“ schlicht als Begriff für börsengehandelte Fonds verwendet. Wer Indexfonds meint, müsste sich dann eben angewöhnen, auch „Indexfonds“ zu sagen.
Erstmals erschienen in pvm12 (Februar/März 2015)