Umfragen, Marktresearch und andere oft extern in Auftrag gegebene Studien sind für Anbieter von Anlageprodukten ein beliebtes Mittel, um öffentlich Seriosität und Kompetenz zu zeigen und damit eine Vertrauensbasis bei Investoren zu schaffen. Allerdings kommt es immer wieder vor, dass solche Studien für allzu platte Marketing- und Werbebotschaften missbraucht werden. Ein Beispiel aus dem Herbst 2017.
„Neue Studie von Natixis ergibt: Indexfonds erfüllen weder Ertragserwartungen noch entsprechen sie den Wertvorstellungen der Anleger“, lautete die Überschrift einer Pressemitteilung des französischen Fondsanbieters vom 6. Oktober 2017. Wer angesichts dieser starken Behauptung davon ausgeht, dass die Fondsgesellschaft eine systematische Untersuchung der Performance von Indexfonds durchgeführt hat, liegt falsch. Es handelt sich vielmehr um eine eigentümlich verzerrte Interpretation der Ergebnisse einer Umfrage unter 8.300 Privatanlegern, die Natixis im Februar und März 2017 in 26 Ländern Asiens, Europas, Amerikas und des Nahen Ostens hat durchführen lassen. Die Pressemitteilung konzentriert sich „insbesondere auf die 400 Teilnehmer aus Deutschland“, von denen jeder über ein Anlagevermögen von mindestens 100.000 US-Dollar verfüge.
Dabei hebt sie zwei „Ergebnisse“ besonders hervor: 1. „Mit passiven Indexfonds könnten Investoren Gefahr laufen, ihre Anlageziele zu verfehlen. Deutsche Investoren geben an, dass sie eine Rendite von 10,5 Prozent über der Inflationsrate benötigen, um ihre Ziele zu erreichen. Allerdings rechnen viele Experten derzeit bei vielen Marktindizes mit Erträgen im niedrigen einstelligen Bereich.“ 2. „Der Einsatz von Indexfonds könnte dem großen Interesse der Anleger an ESG-Investments widersprechen. 83 Prozent der deutschen Investoren wünschen sich, dass ihre Investments auch ihren persönlichen Wertvorstellungen entsprechen. Nur 46 Prozent sind jedoch der Meinung, dass Indexfonds solche Unternehmen bei Investments auch berücksichtigen.“
Offenbar sind die Anleger also nicht einmal danach gefragt worden, ob Indexfonds ihre Erwartungen erfüllt und ihren Wertvorstellungen entsprochen haben. Und allem Anschein nach sind das auch keine „Ergebnisse“ der Studie. Eines ihrer Ergebnisse scheint zu sein, dass deutsche Privatanleger ein sehr ambitioniertes Renditeziel „von 10,5 Prozent über der Inflationsrate“ haben. Dieses Ziel kann man mit guten Argumenten für unrealistisch hatten, ohne sich dazu auf die Erwartungen „vieler Experten“ für „viele Marktindizes“ berufen zu müssen. Selbstverständlich ist es richtig, dass Indexfonds solche Ertragserwartungen nicht erfüllen werden, falls die ihnen zugrunde liegenden Indizes in den kommenden Jahren lediglich prozentuale Wertentwicklungen im niedrigen einstelligen Bereich erzielen oder gar Verluste erleiden sollten. Allerdings wird es in einem solchen Fall auch kaum einem aktiv verwalteten Fonds gelingen, derart hohe Renditen zu erwirtschaften. Ein Grund für die derzeitige Popularität von Indexfonds liegt schließlich in der gut begründeten und dokumentierten Erfahrung, dass die überwiegende Mehrheit der aktiv verwalteten Fonds langfristig keine bessere Performance erzielt als ihre jeweiligen Vergleichsindizes. Warum heißt es in der Überschrift der Pressemitteilung also nicht „Die meisten aktiv verwalteten Fonds erfüllen die Ertragserwartungen der Anleger nicht“?
Das Argument für einen möglichen Widerspruch von Indexfonds mit den persönlichen Wertvorstellungen vieler Investoren steht ebenfalls auf tönernen Füßen: Wenn es dadurch begründet werden soll, dass nur 46 Prozent der deutschen Umfrageteilnehmer der Meinung sind, „dass Indexfonds solche Unternehmen bei Investments auch berücksichtigen“, wäre dies sicher keine seriöse Interpretation der entsprechenden Umfrageergebnisse. Tatsächlich können Indexfonds nachhaltige Unternehmen bei ihren Investments nur dann besonders berücksichtigen, wenn diese in den abgebildeten Indizes eine besondere Rolle spielen. Bei traditionellen Marktindizes ist das nicht der Fall, aber es gibt mittlerweile zahlreiche ESG- und Nachhaltigkeitsindizes, die explizit nach solchen Kriterien zusammengestellt werden und für die auch eine breite Palette an Indexfonds angeboten wird. Ausschlaggebend ist also nicht die Meinung der Investoren, sondern die Frage, ob sie von diesen Angeboten wissen oder nicht. Und das gilt nicht nur für Indexfonds, sondern ebenso für aktiv verwaltete Fonds, die bei ihrer Aktienauswahl in vielen Fällen keine ESG-Kriterien berücksichtigen und daher das gleiche Enttäuschungspotenzial aufweisen.
Die Überschrift der Pressemitteilung hätte also ebenso gut lauten können: „Aktiv verwaltete Fonds erfüllen weder Ertragserwartungen noch entsprechen sie den Wertvorstellungen der Anleger.“ Wer wissen möchte, warum die Autoren der Pressemitteilung eine andere Formulierung gewählt haben, braucht sich nur die Produktpalette der auf aktive Anlagestrategien fokussierten Natixis anzuschauen.
Investoren mit Renditezielen von 10,5 Prozentpunkten über der Inflationsrate hilft übrigens keine dieser beiden „Interpretationen“ weiter. Statt sich mit Vor- und Nachteilen von Indexfonds und aktiv verwalteten Fonds auseinanderzusetzen sollten diese Anleger sich zunächst fragen, ob ein solches Ziel angesichts des gegenwärtigen Zinsniveaus und Kapitalmarktumfeldes für die kommenden Jahre nicht allzu ambitioniert erscheint. Unrealistisch hohe Erwartungen wird aller Erfahrung nach kein Fonds der Welt erfüllen können.
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